Blog von Walter Lackermayr & dem Forum der WuidnBuam (und Madln natürlich auch)




Dienstag, 15. Dezember 2015

El Capitan West Face und Hotline












Die letzten Touren meines Yosemite-Urlaubs mache ich mit Rainer Treppte, einen Bergführer aus dem Allgäu. Er "machte" vor der Wende "raus", besucht aber mehrmals jährlich seine alte Kletterheimat, das Elbsandstein. Bei dieser Gelegenheit lernte ich ihn auch kennen, und zwar am Meurerturm in der Schrammsteinkette. Wir kletterten dort hintereinander weg alle Talseiten-Touren und Rainer war noch kein bisschen müde, was bisher noch alle bei diesem Programm waren. Sehr cool und ideal für lange Touren! Außerdem traf es sich bestens, dass Rainer genau die Zeit zwischen Ralf's Abreise und meinem Konferenz-Termin im Valley weilte. Er war schon einige Wochen zuvor da und machte einen Techno-Big Wall am großen Käpt'n. Nun war aber Freiklettern angesagt!

 

 

 

 

 

West Face V 5.10 C2/5.11


El Capitan  West Face V 5.10 C2/5.11, 15 SL
Da man erst 300 Höhenmeter am Wandfuß aufsteigen muss und die Route etwas abseits liegt, hat die "West Face" nicht den Bekanntheitsgrad wie die Südwandrouten, obwohl sie tolle Kletterei sowie gefühlt 50% aller Griffe des Yosemite Valley bietet. Vom Charakter her ist sie mit Grade V ein "kleiner" Bigwall, liegt also zwischen der Genusskletterei des "East Buttress" und den "richtigen" Big Walls rechts davon


In der ersten Platten-Seillänge. Ganz rechts ist ein Kletterer in 'Lurking Fear'

 Die Route "plattelt" anfangs sehr: Optisch sieht es nach richtig fiesem, griff- sowie sicherungsfreien, polierten Gletscherschliff aus. Glücklicherweise war es aber dann doch nicht so schlimm wie befürchtet, es gab sowohl Griffe als auch Sicherungen und die Kletterei war richtig anregend.



 Ganz anders die 2. SL:  Man muss ehrlich und zwingend Platten-5.11er Passagen mit großen Runouts klettern. Anscheinend wurden Haken herausgestürzt. Da Rainer gesundheitlich noch nicht topfit war, konnten wir uns unten auch nicht abwechseln.


Sobald man in der 4. SL in Höhe des Dachs kommts und links daran vorbeiquert, beginnt die fürs Yosemite untypische Granit - Griff - Wunderwelt



























Mittelteil

Unterwegs gibt es mehrere solche Rissüberhangs-Wellen zu überwinden


Am Ende der schweren Seillaengen



Rainer in den Ausstiegs-Seillängen
 


Wieder mal oben!



 A propos Einschätzung der Dimensionen: Sagte ich bereits, dass es sich bei den Bäumen um Sequoias (Sequoiadendron giganteum) handelt?


 Beim Abstieg über die East Ledges trafen wir noch eine Bekannte von Rainer, die gerade nach mehrwöchiger vertikaler Reise allein aus einem Bigwall ausgestiegen ist. Man kann sich diese Frau so richtig vorstellen: "Jetzt ist aber mal gut mit diesen Typen. Ich geh jetzt allein mit meinem Schwein (Sack, nicht Mann!) in die Wand und hab' mal für 14 Tage meine Ruhe". Da es bei solchen Aktionen auf ein Kilogramm mehr oder weniger nicht ankommt, hatte sie auch noch gute Verpflegung. Zunächst sagte sie allerdings, sie ernähre sich nur von "Bugs" (Käfern/Insekten) und bot mir auch einen "Bug Bar" an. Dieser von ihrem Sponsor stammende Riegel (angeblich super-gesund!) schmeckte zwar irgendwie undefiniert, aber doch nicht so, wie ich mir Kerbtier-Geschmack vorstellte. Aber dann stellte sich raus: alles Schwindel für den Sponsor! In ihrem Haulbag hatte sie vielmehr richtig gute Sachen dabei. Und von den leckeren Sachen in ihrer "Bear Box" im Tal könnte sich eine ganze Seilschaft 4 Wochen autark ernähren;-)

Bei all dem ist es mittlerweile dunkel geworden, so dass trotz vorheriger Erkundung der Abstieg nicht immer leicht zu finden war. Glücklicherweise kennt ihn Rainer wie seine Westentasche, so dass wir, zurück im Valley, noch gemütlich den "Sternenhimmel" aus Stirnlampen am "Big Stone" betrachten, ehe es zurück ins Camp Four geht.


 Worst Error Rock, Hotline 5.11c (5.12b), 7 SL


 Unsere Letzte große Tour dieses Urlaubs war die "Hotline". Der phantastische Splitter durch die pralle Wand des "Worst Error" genannten Vorturm des Elephant Rock fiel mir schon vom Cookie Cliff gegenüber auf. Da er nicht im beliebten Supertopo-Führer, sondern nur in vergriffenen Führern enthalten ist - und weil er ordentlich schwer ist - hatten wir dort auch, ebenso wie in der West Face, unsere Ruhe.

 
Im Fingerriss-Überhang der 1. SL

2. SL
Die Crux-Seillänge: An Fingerriss im harten 5.11er Grad hoch, dann Querung an Winz-Leisten zum Anfang des eigentlichen Risses. Kleine Leisten zu halten, ist eigentlich meine Spezialität, dennoch kam ich hier nicht ohne klassischen Seilzugquergang weiter. Fittere Kletterer im Camp Four besttätigten dann, dass der angesagte Grad 5.12a ein tierischer Sandbag und wohl eher 5.13a die richtige Hausnummer sei. Egal, nun sind wir unter unserem Traum-Handriss!


3. SL. Einen so reinrassigen 40m - "Splitter" Handriss wie hier gibt es auch im Yosemite selten




Der Mittelteil


In der 6. SL
das Rissdach wäre halb so wild, wenn der Handriss des Daches sich fortsetzen würde. Dummerweise öffnet er sich gerade an der Dachlippe zum Hundebahnhof, so dass man extrem anstrengend über die Kante piazen muss.



das letzte Mal "oben" in diesem Kletterurlaub. Toll war's!

Sonntag, 13. Dezember 2015

Medlicott Dome, Bachar-Yerian

Dieser  Ultra-Klassiker in den Tuolomne Meadows, Yosemite, verläuft im großen schwarzen Streifen der Bildmitte, teils auch  im Gelben rechts davon. Ich weiß, das Wort "Klassiker" ist etwas abgenutzt, im Folgenden sollte aber klar werden, dass es hier seine ursprüngliche Bedeutung voll verdient.

Eigentlich hatte ich diesen mit 5.11d R/X bewerteten 6-SL-Ultra-Klassiker in den Tuolomne Meadows, Yosemite, gar nicht auf den Plan. Zwar ist die Bachar-Yerian berühmt, es war aber auch von Harakiri-Kletterei an jederzeit herausbrechenden Knobs die Rede und der Zusatz "R/X" schreckt auch ab. Viele USA-Führer bewerten nämlich die Exposition und den moralischen Anspruch mit der USA-Altersklasse für Kinofilme: von PG (Parental Guidance) über R (Restriced) bis X (Explicit Sex/Violence). Zusammen mit der Schwierigkeit und dem Erstbegeher ist dies schon abschreckend ...

Da jedoch Rainer Treppte noch nicht angekommen ist, schließe ich mich  meinen Sachsen-Freunden Stefan (Seppo) Gerber und Daniel Kubis  an. Seppo ist bei uns bekannt für seine  Souveränität und Ruhe,  wenn es um anspruchsvoll gesicherte Touren geht, so war klar, wer  vorsteigen würde. Ich lehnte mich, bildlich gesprochen, in den  Fernsehsessel zurück und war bereit, mit wohligen Gruseln aus der  Nachstiegsperspektive diesen "R/X-Film" zu genießen.
Seppo in der 1. SL (5.9 X)
Nach souveräner Überwindung der ersten SL kam aber Seppo die eigentlich gut gesicherte Crux am Beginn der 2. SL nicht hoch. Nun ja, das Gelände, leicht überhängend mit kleinsten Griffen, liegt mir sehr und ehe mir bereits jetzt einen kompletten Sack aufhängen, will ich die Crux bis zum nächsten, nicht allzu weit entfernten Haken versuchen, um dann wieder an Seppo zu übergeben.

 

In der Crux (2. SL)
In der Tat klappt es bei mir nach einigen Versuchen. Ich hatte neben den abschüssigen Winzleisten eine noch mikroskopischere, allerdings positive und grippige gefunden, die Seppo, obwohl vor der Nase, einfach nicht gesehen hat. Da es so gut ging, steige ich auch noch den nun folgenden Runout bis zum nächsten Stand weiter. Als Seppo bei mir ankommt, ist er allerdings moralisch fertig. Liegt es an der für ihn ungewohnten Nachsteigerrolle oder war er von den Vortagen zu sehr geplättet? Wie dem auch sei, es heißt, dass die berüchtigten Runouts der folgenden Seillängen nun bei mir liegen.


In der letzten schweren SL

Die Route ist einmalig: In jeder der drei schweren SL gibt es zuerst nach etwa 2-3 m einen leicht erreichbaren Bolt für den Dummy-Runner (sehr vorbildlich!), dann folgen jeweils drei "Meurerturm-Lineal-Ausstiege" (für Nicht-Elbsandsteinkenner: 8m- bis 15m-Runouts im Schwierigkeitsbereich um VII+/VIII-) hintereinander zum nächsten Stand. Die Crux ist dabei, den Überblick zu gewahren. Selbst wenn man den nächsten Bolt vom jeweils letzten sieht (es sind auch schon Leute daran vorbeigeklettert), bedeutet das noch lange nicht, dass die optimale Linie  direkt zu ihm führt, zumal es kaum Chalkspuren gibt. Es gilt, routiniert im Meer der "Knobs" zu navigieren, sich von den vielen Griffnieten nicht beirren zu lassen, jeden Knubbel zu testen (sie scheinen aber fester als ihr Ruf zu sein) und auch nach irreversiblen Zügen in Anbetracht der fast eine Kletterhallenhöhe darunter befindlichen letzten Sicherung nicht die Ruhe zu verlieren. O-Ton John Bachar: "You need three balls to lead this route"

Die objektive Gefahr erscheint mir dennoch geringer als die subjektive, da es (außer das flacheres Gelände unterhalb der ersten schweren Seillänge  und vielleicht einem leichtes Raspeln in der letzten) schlicht nichts gibt, was sich dem Flug entgegenstellen könnte (und außerdem etliche glimpflich verlaufende  "Mothers of All Whippers" im weiten Netz dokumentiert sind).

Daniel Kubis in der letzten schweren SL

Im Quergang kann man zum ersten Mal Friends legen. Vorteil: Man muss wenig Friends bzw. Camalots mitschleppen und wird ansonsten nicht durch das den Kletterfluss störende Legen von Sicherungen aufgehalten.

Summa Summarum: vom Fels, der Routenanlage, der Exposition und dem Ambiente her mit die beeindruckendste und beste Route, die ich kenne (und ich kenne viele Routen).