Blog von Walter Lackermayr & dem Forum der WuidnBuam (und Madln natürlich auch)




Freitag, 15. Oktober 2010

Laliderer Spitze "Herzogkante"


Vor drei Wochen ist unsere Expedition zum Taboche  sang- und klanglos dahingeschieden. Blaue Tonnen,  ein Jahresvorrat Müsliriegel, Berge von Ausrüsteung und ein Loch in meinem Rücken sind die  übrig gebliebenen Zeugen. Übergossen mit einer anständigen Portion Frust und durchtränkt von der Frage wie das nun weitergehen soll mit der Bergsteigerei. Nicht nur der Skyrunner sah sich schneller als ihm lieb war damit konfrontiert, daß Wahrheit und der Umgang damit bisweilen eine schmerzhafte Angelegenheit sein kann.
Nach einem ersten Gehtest auf den Jochberg wagte ich mich schon mal auf's Hohljoch, die Lalis mal wieder anschauen und in Erinnerungen schwelgen. Drei Tage später die Lamsenkante unter die Füße genommen, ging erstaunlich gut, trotz allem.
Berni wollte mich in die Pfalz entführen, Frustkompensation. Aber da war das Wetter schlecht. Also hab ich ihn mit ins Karwendel genommen. Meine Frustkompensation: Rekonvaliszenswandern. Die Schmid/Krebs wollte Berni nicht mitmachen, aber die Herzogkante wär ok.
Egal, erstmal einen Ramazotti trinken, mit Eis und Zitrone. Manche Dinge ändern sich nicht und bleiben doch so gut wie immer.
Genauso wie Aufstehen. Das ist auch immer schrecklich. Es gibt Momente, da hasse ich diese Bergsteigerei aus tiefstem Herzen. Zum Glück dauert das nicht lang an. Und dann ist's auch gleich wieder unvergleichlich gut: Kleiner Mann, goßer Berg: Berni und die Herzogkante.
Draußen wabert der Herbstnebel durch die Täler, während wir unter den Lalis hinüber Richtung Falkenhütte tappen. Kurz beschleicht mich die Sehnsucht doch in die Krebsführe einsteigen zu wollen, wir könnten uns ja oben treffen. Ich mach's dann doch nicht. Kante mit Berni wird auch gut.

Die Idee, für das Einstiegsschneefeld die Steigeisen mitzunehmen, erweist sich als so dumm nicht. Ich erinnere mich daran, hier schon mal mit zwei Steinen als Pickelersatz hinaufgeschlichen zu sein.

Die Morgensonne wärmt die Leute auf der Falkenhütte,
wir ziehen die Schnürsenkel fest und nehmen die Kante unter die Sohlen.

Alter und neuer Stand zusammen: Ja, die Bühler sind seit vielen Jahren umgeschlagen, und ja, man kann sie fädeln, und vor allem immer wieder ja, diese blöde Diskussion, wie mies diese Aktion gewesen sei, und so gemein. Ich finde ja, daß die umgeschlagenen Bühler an der Herzogkante mittlerweile als historisches Zeitzeugnis von der Unesco als Weltkulturerbe unter Schutz gestellt werden sollten.
Egal, jetzt ist Klettern angesagt. Die erste Verschneidung ist so leicht auch wieder nicht, und mit den dicken Bergschuhen an den Füßen ist Konzentration angebracht, runterfallen kann man hier ganz prima, und auch recht weit.

Berni fasst mal die Kante an, denn festhalten ist besser als runterfallen.

Wir sind so mit der Kante beschäftigt, daß wir garnicht bemerken, daß wir plötzlich ganz wo anders sind:  Nein, nichtmal die Herzogkante ist noch das was sie mal war? Früher war das doch ganz anders hier.... Jedenfalls bin ich plötzlich irgendwo, wo ich noch nie war. Und diesen Turm umgeht man doch sonst auch rechts und nicht links, oder? Na egal, das Gelände ist halt mal unangenehm, kommt davon. Probieren wir eben 'ne Variante. Geht auch, nach dem Turm sind wir wieder auf der Route.


Kante ist gut, und wieder richtig.

Deutlich steileres Gelände und auch anhaltendere Schwierigkeiten als bei anderen Touren dieses Schwierigkeitsgrades machen die Herzogkante zu einem nicht zu unterschätzendem Unternehmen. Gerade deswegen ist sie ja so gut.

In den leichteren Passagen erinnert einen die Felsqualität schnell daran, wo man sich befindet. Zwar nicht zu vergleichen mit den Nordwandrouten neben an, aber auch hier ist längst nicht alles was wackelt dann auch fest.

Kurz vor Schluß wartet dann die beste Stelle der Kante: Schon der freie Blick in die Nordwand hat so was morbide-gruseliges an sich.

Ja, und richtig gut ist, daß der Aspirant dann auf schwindligen Trittchen sich hinausschieben darf, so richtig viel Luft unter seinen Sohlen, in Richtung der berühmten, überhängenden Rißverschneidung.


Aber so wild isses dann garnicht, und schwupps, schon bist Du drüben und drin in der Verschneidung.


 Ach ja, die miese, fiese, überhängende Stelle kommt ja jetzt! Die, vor der man schon den ganzen Tag hätte Angst haben können, die, von der ich schon gehört habe, sie sei nur mit Foothook zu bewältigen. Ich finde, daß bereits dieser Anglizismus eher in die Halle zu den bunten Griffen gehört als hierher. Was bleibt, ist eine der besten Kletterstellen der ganzen Kante: Fester Fels, gute Griffe, steil und luftig, Freude am Klettern!


Danach wirds in der Tat etwas brüchig, Karwendel halt. Und dann freut er sich, der Berni: Übers Oben sein, über die Kante, über sich selbst, über das Bergsteigen.


Ach ja, auf dem Weg zur Biwakschachtel kommen wir noch an der Steinbrücke vorbei, auf der der Buhl auch schon stand, mit 800 Metern Luft drunter: "Kimmscht?"
 Der Abstieg durch die Spindlerschlucht gibt den Touren an den Laliderern zwar nicht wirklich einen ernsteren Charakter, den haben sie für sich schon, vielmehr passt er einfach dazu. Herb-alpin.

Nicht alle Abseilstellen in der Schlucht sind schlecht.

Aber ein gewisses Maß an Fatalismus ist für einen schnellen Abstieg zumindest nicht hinderlich.


Die beinhart gefrorene Schuttreißn lässt uns für die Abschußkür nochmals zu ungeahnter Hochform auflaufen, B-Note 10.0!


Dann verschwindet die Kante im Herbstnebel.





Wie es aussieht war die Herzogkante nun erstmal meine letzte Tour. Ein Ausflug nach Arco eine Woche später endete  Montag auf dem OP-Tisch,
 einem neuen Loch in meinem Rücken, den selben Zweifeln und der schmerzheften Erkenntnis daß Wahrheit wenig beinflussbar ist.


Infos zur Tour: Topo Laliderer Spitze Nordkante "Herzogkante"