Blog von Walter Lackermayr & dem Forum der WuidnBuam (und Madln natürlich auch)




Donnerstag, 18. Februar 2010

Seidenraupe statt Supervisor

Saurons Rache:
Nachdem wir den Mordor geklettert waren planten wir für den nächsten Tag Pausetag. Nicht ohne Hintergedanken: Erstens hieß das am Abend Rotwein und morgens Ausschlafen und zweitens war für den nächsten Tag Fön angesagt, aber danach ein eintägiges Föhnloch mit Bewölkung und leichtem Schneefall. Da sah ich unsere Chance trotz der hohen Temperaturen noch einen Versuch im Supervisor machen zu können. Bei Sonne eher ein Suizidkommando da der Fall bereits sehr früh in der Sonne ist und nicht wie Mordor gleich wieder im Schatten eines vorgebauten Grates verschwinden kann. Vorne weg: Der Plan ist nicht aufgegangen.
Rechts der Supervisor
Mit sehr gemischten Gefühlen gehe ich die erste Länge an. Der Himmel hat sich nicht entschieden ob er die Sonne durchlassen will oder nicht. Immer wieder der Blick nach oben auf die Eiskaskaden. Nach sechzig ziemlich nervenaufreibenden Metern ziehe ich Berni nach so schnell und eng ich kann. Der Himmel hat sich entschieden: Kein Wölkchen bremst die Sonne auf ihrem Weg zu den tonnenschweren Eisvorhängen über uns. Dann kracht's. Ich frag Berni wo er ist: "Hälfte etwa..." Ich bau auf HMS um. "Häng dich rein. Ich lass Dich ab." Gesagt, getan, so schnell wie's irgendwie geht. Es kracht schon wieder. Psychostress. Unten, die erste Stufe, die wir seilfrei rauf sind, noch schnell abgelassen bzw abgeseilt und zu den Rucksäcken in Sicherheit. Ein Teil des großen Vorhangs löst sich und donnert genau über unsere Linie, trifft den nächsten Stand, Schwein gehabt...
Mittlerweile löst die Sonne auch den Schnee aus den Hängen darüber und zum Krachen des Eisschlages gesellt sich als Tenor Lawinendonner. Nettes Esemble fatal.
Am Stand nach der zweiten Länge. Berni kommt die zweite Länge nach, eingehüllt in den Nebel einer kleinen Staublawine... ...als mit großem Getöse gerade ein Teil des Rodeos die Reise nach unten antritt. aha, da schaut auch Berni mal rüber. Man versucht sich an das permanente Gekrache zu gewöhnen. Spruch des Tages: "Ich sag schon wenn's uns betrifft..." Berni startet in die dritte Längen. Er dreht öfter mal ne Schraube, weil auch öfter mal was oben kommt. Komisch, ich dachte die Seidenraupe wär so sicher...?


Dann schreit er plötzlich "ACHTUNG, EIS!!!" Ich seh's noch wie's auf mich zukommt, wills nun rechts oder links oder hinter mir vorbei? Nein, es will auf mich drauf, es kracht auf und in meinem Kopf, dann will's durch mich durch, es reißt an und schreit mir ins Ohr, dann will's mich einfach nur noch abklatschen, ein Schlag auf den Rücken, hauahee...
Berni von oben "He, alles ok?"
"Ja-Nee, Volltreffer" Zuerst krieg ich mal keine Luft, dann brummt mein Schädel und dieses blöde Pfeifen im Ohr nervt mich. Ich schüttle mich mal: Alles noch dran. "Alles ok!" Beim Nachsteigen hab ich Probleme beim Luft holen, die Optik ist irgendwie auch nicht ganz ok, zwischendrin glaube ich mich beim Sportklettern in der Halle und wundere mich warum die roten Griffe nicht rot sind.
Ich komme etwas gaga am Stand an. Berni wundert sich weil ich dauernd mit dem Kopf wackle wie so'n Wackldackl. "Weil die Optik ned gscheit stimmt..." Später werden wir draufkommen daß ich keinerlei Erinnerung an die Materialübergabe am Stand habe.
Wir diskutieren kurz die Situation und beschließen nicht abzuseilen. Über uns kommen wir bedeutend schneller aus dem Eisschlag raus, der von einem Vorhang kam der mittlerweile rechts auf gleicher Höhe ist. Unter den will ich nicht mehr, Berni auch nicht. Ich habe ernste Befürchtungen daß mir vorübergehend das Licht ausgehen könnte und finde daß es besser für uns ist wenn mir das im Vorstieg passiert als wenn Berni ungesichert im Vorstieg wäre. Konsequenzanalyse. Ich dreh viel dann fall ich ned weit. Berni kann ja notfalls am Seil aufsteigen. Die Länge schaut eh ned so schwer aus. War dann aber länger als es aussah.
Nach 50 Metern bin ich noch nicht raus und bau noch mal einen Stand. Berni kommt nach.
Noch 15 Meter und die Seidenraupe liegt unter uns.
Diesmal bin ich echt froh oben raus zu kommen, und zwar hinten nach. Passiert auch nicht so oft.
Noch ein letztes Mal über den Höhkarsteig hinunter. Unten brummt der Schädel, der Magen mag auch nimmer, und ich hab die eine oder andere Lücke in der Chronologie der Seidenraupe. Sauron ist mächtig. Mordor ist das Land der Dunkelheit.
 Nachtrag:
Zwei Wochen später stellte sich heraus:
Hirnödem, Lungenödem, zwei Rippengebrochen.
Richtig Glück gehabt, das hätte auch anders ausgehen können...

Facts
Seidenraupe WI5, 200 mtr
Anfahrt/ Zustieg: sieh Mordor
Schwierigkeit: 1SL WI3, 55mtr; 2SL WI3 40 mtr; 3 SL WI5- 40 mtr; 4SL WI5+ 50mtr; 5 SL WI3 15 mtr und Schnee 20 mtr.
Besonders:Steht selten, Direkteisntieg mancghmal möglich, dann WI5+, Ausstiegslänge je nach Verhältnissen WI5- bis WI6-
Was soll's. Die Seidenraupe steht selten gut da, und einen schönen Namen hat sie auch noch, da kann ja nix böses mehr sein. Berni am Start. Etwas nachdenklich sitz' ich da: "Was nun...?" Ich erinnere mich an die Worte eines Lokals gestern: Die Seidenraupe müssts machen, nix Psychostress, voll entspanntes Klettern, total sicher, kannst immer machen. Hmm, ham sich andere Lokals auch gedacht und sind schon eigestiegen. Na gut, wart ma halt, das Teil hat einen langen Quergang in der zweiten Länge, wenn die da drüben sind können wir entspannt nachgehen. Ob sie abseilen wollen: "Naa, eher ned, der Ausstieg schaut guad aus, mir gehn oba." Also gut. Trotzdem bin ich irgendwie ein Psychowrack. Eigentlich ist der Stress ja vorbei, und trotzdem fühl ich mich scheiße. Am liebsten würd ich heimgehn.

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