Blog von Walter Lackermayr & dem Forum der WuidnBuam (und Madln natürlich auch)




Dienstag, 24. März 2020

Pic Coolidge 3.775, Ostgrat

William Augustus Brevoort Coolidge war ein schmächtiger, vor sich hin kränkelnder Jugendlicher, bis er Mitte des 19. Jahrhunderts durch seine Tante Margret zum Bergsteigen animiert wurde. Er unternahm ab 1860 bis zu seinem Tod 1926 über 1.700 Bergfahrten und konnte zahlreiche Erstbesteigungen bedeutender Gipfel für sich verbuchen. Unter anderem die L Ailefroide und den nach ihm benannten Pic Coolidge.
Im Zuge der Alpinistenclub Sommerfahrt konnten wir zu dritt eine Begehung des Ostgrates auf diesen selten besuchten Gipfel im Herzen des wildesten Teils der Dauphine unternehmen.


Route

Vom Parkplatz Pre de Madame Carle 1.875 den Weg Richtung Glacier Blanc Hütte. Nach den ersten Kehren zweigt links der deutliche Weg auf die Gletschermoräne des Glacier Noire ab (Schild Balmes de Francois Blanc). Dem gut ausgetreten Weg auf dem Moränenrücken folgen, bis bei 2.485 m ein Steinmann die (einzige) Abstiegsmöglichkeit hinunter auf den Glacier Noire markiert. (2 h vom Auto)


Gegenüber sieht man bereits die Zustiegsrinne.
Hinunter auf den Glacier Noire und über diesen hinüber zum Schneekegel der gut sichtbaren Einstiegsrinne.
Diese sollte mindest bis zur halben Höhe noch verfirnt sein.






Die Rinne hinauf (35°-38°) hinauf, bis man diese auf etwa halber Höhe an geeigneter Stelle - wo auch immer man es für "geeignet" hält- nach rechts verlässt, um den Grat rechts (im Aufstiegssinn) zu erreichen.





Über schutt- und sandbedeckte Felsen die Rinne queren - das Kann später im Jahr auch kurz mal nervig sein- und schließlich brüchige Felsen (Stelle III) hinauf auf den Grat-Rücken.
Nun in schönem und festem Granit den Rücken hinauf, eine senkrechte Felsbastion bleibt immer rechts.
Je nach Wegfindung II und III, Stellen IV.
Die Kletterei ist nie schwer aber auch nie langweilig.



Den Rücken hinauf, zum Schluss rechts davon unangenehm über steilen Schutt zu den Firn- und Eisresten unter P. 3.343
Unter P. 3.343 nach rechts Richtung der Scharte P. 3301 auf der IGN Karte queren. Später im Jahr -so wie bei uns- kann das durchaus für etwas Spannung sorgen. Das Blankeis ist nicht von bester Qualität und hat "betonte" 35°.




Zuletzt unschwierig auf den Firngrat der von P. 3343 in die Scharte P. 3301 hinab führt.
Damit ist der "Zustieg" zu eigentlichen Ostgrat bewältigt.
Der weitere Verlauf lässt sich von hier gut überblicken: Den Grat immer auf seiner Schneide oder knapp rechts davon hinauf auf den ersten großen Turm 3.506 (Höhe nicht auf der IGN Karte vermerkt).
 Ein kleines sperrendes Türmchen kann links durch einen engen Schlupf und eine schmale Leiste, die zurück in die Scharte nach dem Türmchen leitet, umgangen werden. Oder man umgeht das Türmchen rechts herum, dann ca IV. Sonst bewegt sich die Kletterei konstant im III UIA Grad.



So erreichen wir den langgezogenen Gipfel des Turmes 3.506. Nach Norden (rechts) ca. 15 Meter abseilen und auf einem Band unschwierig in die Scharte hinter dem Turm vor dem nächsten Aufschwung.

Der Weiterweg ist gut erkennbar: Den Grat hinauf bis unter einen schon von Weitem sichtbaren, glatten Plattenpanzer. Nicht(!) den Plattenpanzer gerade hinauf, sonder zu Beginn der Platten auf einem bequemen Band links Richtung eines die Platten links (Süden) begrenzenden Seitengrates.


Hier zwei Möglichkeiten:
A) Das Band bis zum Ende (I-II) und den Seitengrat hinauf (Stellen IV +)
B) Das Band nur wenige Meter verfolgen und einen schönen Riss (Piaz) im Bogen hinauf. Dieser Riss leitet dann ebenfalls auf den Grat links.
Weiter gemeinsam: Den Grat weiter (III) bis an den Fuß des nächsten großen Turmes. Nun nicht gerade die gut sichtbare Verschneidung hinauf, sonder wenige Meter nach rechts ums Eck an den Fuß eines weißen Kamines. Drei Haken: Der erste, letzte und einzige Haken den wir vorfanden!
Den Kamin hinauf (IV+) auf den Gipfel des Turmes. Es folgen drei kleine Türmchen: Dem Grat nach links folgen in die Scharte vor dem ersten Türmchen und dieses links (Südseite) unangenehm brüchig umgehen in die Scharte vor dem zweiten Türmchen. Entweder nun links (Süden) eine Rinne hinab und dann wieder durch einen glatten Spalt hinauf, dann an glatten Flakes in die nächste Scharte queren (sehr unangenehm brüchig). Besser dürfte es sein, das Türmchen Nr. 2 direkt zu erklettern und jenseitig in festem (!) Fels in die Scharte abklettern, sollte nicht schwieriger als III werden.
Das dritte Türmchen besteht aus zwei überhängenden Felszacken. Vor dem dritten Türmchen 6 Meter nach rechts (Norden) abseilen auf ein Band. Das Band wenige Meter zu einer brüchigen Rinne zwischen dem ersten und dem zweiten Felszacken des Türmchens. Die Rinne (brüchig) hinauf in die Scharte und weiter einen Riss (jetzt wieder fester Fels) hinauf auf den zweiten Zacken, den Gipfel des Turmes. Ende der Schwierigkeiten des Ostgrates.
Nun den Grat nach links (Süden) in die Flanke verlassen und über stressiges Gelände hinüber zu den Firnresten unterhalb des Vorgipfels zwischen dem Ostgrat und dem Südgrat (Normalweg). Die Firnreste queren.
Normalweg auf den Gipfel:
Eine schuttige steile Rinne hinauf, zuletzt über einige Felsen, auf den Vorgipfel. Über den Grat kurz hinunter in eine Scharte und drüben auf den Hauptgipfel 3.775.




Abstieg:
Bereits vom Gipfel kann man unter der L Ailefroide den Abstiegsweg bis Col de la Temple sehen. Dieser ist mit Steinmännern markiert und gut erkennbar, dennoch ist Aufmerksamkeit geboten. In den nordseitigen Querungen des Südgrates gibt's mindest eine prima Verhauer-Möglichkeit in die schaurig-brüchigen Nordabstürze. Das gibt bestenfalls Meter auf's Haben-Konto des Tages, schlechtestenfalls ein Ticket ins Nirwana. Immer auf die deutlichen Steigeisenkratzer des Weges achten.

Im Col de la Temple 3.301 nach links (Norden) Richtung eines deutlichen Schutt- und Felsrückens hinab (Steinmänner, deutliche Wegspuren). Bei Biwakplätzen auf 3.200 m leiten Steinmänner und deutliche Wegspuren eine breite Rinne hinunter zum obersten Teil des Glacier Noire. Zum Schluss nicht den steilen Schutt ganz hinunter zum Gletscher, sondern bei einem Steinmann nach links aus der Schlucht hinaus auf Gletscherschliffplatten (Dieser Ausstieg aus der Rinne muss gefunden werden!).


Nun immer den Steinmännern über die Gletscherschliffplatten folgen. Man bleibt immer deutlich über dem zerissenen obersten Teil des Glacier Noire. Erst unter 2.900 leiten die Steinmänner auf deutlich sichtbare Pfadspuren auf der linken Seitenmoräne des nunmehr flachen Glacier Noire. Den Gletscher auf seiner linken Seite hinab, eine steilere Stufe kann etwas Richtung Gletschermitte bewältigt werden. Dann wieder am linken Rand hinunter. Bei ca. 2.540 m sperrt eine Felsinsel den Abstieg auf den von Westen kommenden Arm des Glacier Noire. Auf der orogr. linken Seite (Abstiegssinn) die Felsinsel über Felsen und Firn hinab auf den westlichen Arm des Glacier Noire wenig unterhalb der am Morgen begangenen Aufstiegsrinne. Über den Gletscher und jenseitig die Seitenmoräne hinauf auf dem selben Weg wie schon beim Zustieg. Auf der Seitenmoräne hinab zum Weg von der Glacier Blanc Hütte und auf diesem hinunter zum Parkplatz.

Nützliche Tips:
  • Wir sind tags zuvor aufgestiegen um uns den Zustand der Rinne anzusehen. Hat diese keinen Firn mehr dürfte es nervig werden
  • Bei dieser Gelegenheit sollte man sich gleich den besten Weg von der Felsinsel hinunter einprägen. Höchstwahrscheinlich wird man diese Stelle nämlich im Dunkel hinunter müssen.
  • Die Höhe auf der man den Glacier Noire betritt merken und ggf markieren. Im Dunkeln ist der Aufstieg der Seitenmoräne sonst im besten Fall höchst spannend + schweißtreibend, im Normalfall in der Dunkelheit eher unmöglich.
Ausrüstung:
  • Steigeisen, Pickel, einige Schlingen für die beiden Abseilstellen (jetzt im Moment -Stand Aug. 2019- haben wir alles ausgerüstet) und evtl. Stände, 40 mtr Seil, ggf. Notfallset Friends/Keile
Anspruch:
  • Lange und einsame Tour die nur sehr wenige Begehung hat. Wegspuren o. Ä. wird man nicht finden. Den IV UIA Grad sollte man auch in Bergschuhen ohne Seil noch sicher klettern können. Die Kletterei ist nie wirklich schwer (meist III, auch längere leichter Stellen, einige längere Stellen IV), aber durchwegs ausgesetzt. Die Eisfelder können heikel sein. Der Fels ist weitgehend fest, in den Querungen aber auch mal herzhaft veränderungsfähig-stressig.
  • Die Länge der Tour ist nicht zu unterschätzen: Ca. 2.200 hm brutto im Auf- und Abstieg, Zeitbedarf Aufstieg min. 7 h. Der anderweitig angegebene Abstieg von 2,5 bis zum Biwakplatz ist nicht nachvollziehbar, aber da stimmte ja schon mehr nicht in der Beschreibung....
..und zum Schluss
noch etwas über W. A. B. Coolidge: Dieser bekam nach einem Misserfolg am Eiger von seinem Bergführer Christian Almer einen Hündin geschenkt, als Trost quasi. Dies Hündin bekam den Namen "Tschingel" und war fortan treue Begleiterin von Coolidge, so auch z. B. bei der ersten Winterbesteigung der Jungfau! Der Hund wurde darauf hin sogar vom hoch renomierten englischen Alpineclub als "Sondermitglied" aufgenommen, obwohl der Hund weiblich war. Coolidgs Tante Margaret, die ihn mindestens ebenso oft begleitete, wurde die Aufnahme aus diesem Grund verweigert...


Freitag, 8. Juni 2018

Klettern am Battert und in der Pfalz






Was macht man, wenn ein langes Wochenende ansteht?




Klar, man macht aus, wo man zum Klettern hin fährt. Ich war gerade auf dem Weg von Karlsruhe nach München, Matthias aus dem Schwarzwald meinte, da könnten wir uns ja auf einen Ratsch treffen und so saßen wir beim Kaffee in Pforzheim. Als Ziel standen Dolomiten, Arco, Erto oder Schweiz auf dem Plan. Allerdings zeigte ein Blick auf die Wetter-App, dass es hier wie dort hauptsächlich regnen sollte.










Die A 8 war ohnehin dicht, also wurde aus dem Kaffee Bier und später noch mehr Bier und nachdem die Wetter-App nicht besser sondern schlechter wurde, aber für "daheim" ganz gut aussah, war der Plan einfach: "Dann komme ich halt zu Euch zum Klettern"




Prima! Endlich mal im Schwarzwald klettern, und dann auch noch in die Pfalz rüber! Ich hab mich gefreut wie ein Schnitzel. Anscheinend fand nicht nur ich den Plan gut, denn ein paar WhatsApps später waren wir nicht mehr zu dritt sondern zu acht.




Zuerst war der Battert dran. Was wurde hier schon für Klettergeschichte geschrieben! Der Fels hält allen Erwartungen stand, die Kletterei ist umwerfend gut. Auch der "Style" lässt Nichts zu wünschen übrig: Wegsteigen ist angesagt, eigenverantwortliches Absichern ist Programm. Aber hier sind -im Gegensatz zu manch anderem Gebiet mit spezieller Ethik- alle Sicherungsmittel erlaubt und meist auch recht gut unter zu bringen. Und wo das nicht möglich ist, gibt es auch mal einen oder auch zwei Bohrhaken. Die Ansprüche an den gekletterten Schwierigkeitsgrad muss als Gebietsneuling allerdings schon deutlich runterschrauben. Tut der Sache aber keinen Abbruch. Von Vorteil ist, wer einen Gebietskenner dabei hat.



Nächstes Ziel: Die Pfalz! Also nix wie hin. Gleich am Nachmittag wollten wir natürlich noch was ausprobieren. Doch -oh weh!- der Sandstein hat den Regen der letzten Zeit gut aufgesaugt und war alles andere als kletterbar. Der Local wollt's nicht glauben und ist gleich mal sauber in der Platte kurz vor dem zweiten Haken abgeschmiert. Wer schon einmal in der Pfalz klettern war, der weiß, dass so etwas auch mal blöd ausgehen kann. Ist es zum Glück nicht. Nur ein 10 mm Loch im Ellbogen von so einem blöden Kieselstein. Der ist jetzt weg (der Kieselstein). Wahrscheinlich wird die Tour aufgewertet werden müssen (Spaß Freunde, alles nur Spaß...)





Leider war es am nächsten Tag noch nicht besser um den Sandstein bestellt und mit Klettern sah es nicht wirklich gut aus. Erstens, weil sich es da einfach nicht klettern lässt, wenn der Sandstein wie ein Schwamm mit Wasser vollgesogen ist, und Zweitens, weil man auch nicht mehr sicher Sichern kann.



Macht nichts, uns fällt auch so genug Blödsinn ein, auch wenn es zu nass zum Klettern ist. Das Wetter an sich war ja prima und die Gegend hat uns schon mal richtig gut getaugt.




Was bleibt: Wir kommen wieder! Die Gegend ist traumhaft, der Fels -wenn er dann mal trocken ist- wahrscheinlich auch. Und die Kletterei? Sieht jedenfalls mal spannend aus.









Freitag, 18. Mai 2018

Erto

"Wo oder was zum Henker ist Erto??" wird es den Meisten jetzt gerade durch den Kopf geschossen sein.

Erto, das ist da, wo die Erto-Menschen wohnen.
Erto ist steil, steiler geht's nicht
Erto ist wie die Halle, nur dass in Erto nie umgeschraubt wird
Erto war Manolos erste 8a
Erto ist auch Vajont: Am 9.10.1963 verursachte ein Bergsturz in den Stausee eine Flutwelle, die sich nach Longarone ergoss und die Stadt dem Erdboden gleich machte.  2.000 Tote innerhalb von 8 Minuten. Über die Hälfte der Leichen sollte nie mehr gefunden werden.

Für uns Kletterer ist Erto einfach ein Klettergebiet, und zwar eines der besten. Ich habe ja schon einmal etwas über Erto geschrieben: Berni im Pip-Crash

Immer, wenn ich nach Erto fahren will und Kletterpartner dafür suche, bekomme ich zu Antwort: Da ist's so schwer, da ist's so steil, da komm ich nix nauf....
Am Ende bin ich dann immer mit den selben Verdächtigen dort. Schade eigentlich. Denn Erto ist viel mehr als "nur" steil.

Klar gibt es den "Zoo", "The Big", wie die Locals den steilen Sektor auch nennen. Aber es gibt auch den Sektor "No Big". Dieser wurde in letzten Jahren tip top mit neuen Bolts und Umlenkern saniert. Es locken Routen von 4a bis 6b, die Absicherung ist vorbildlich und auch für ängstliche Anfänger geeignet.

Die Kletterei im No Big ist von geneigt über senkrecht bis überhängend, für jeden Geschmack ist etwas da. Das hat sich in Italien herum gesprochen, und so bevölkern an den Wochenenden auch mal italienische Kurse das Gelände. Zum Glück ist die Auswahl an Routen recht groß, sie sind von 12 Meter kurz bis 35 Meter echt lang.

Mit dem Bus kann man eine Minute vom Riegel entfernt gemütlich stehen. Es gibt direkt am Riegel auch einen Parkplatz mit Toiletten, frischem Wasser, und wer einen Schlauch mitnimmt kann sogar kostenlos duschen.



Natürlich ist der steile Sektor das High-Light. Aber selbst hier gibt es einige Routen zum ausprobieren des steilen Geländes, die nicht ganz so abartig schwer sind. Wie Halle eben, da gibt's ja auch steile Fünfer und Sechser durch die Dächer.

Vorwiegend trifft man in der Arena Typen ohne T-Shirt.

Aber es gibt halt auch noch Menschen, die nicht nur steil klettern wollen. Und -glaubt's es oder nicht- selbst die haben in der Arena ihren Spaß! Selbst wenn sie nicht klettern: Man kann den anderen beim Versagen zuschauen und sich köstlich drüber amüsieren oder einfach selbst mal ein paar harte Züge probieren! Wer lernt, am Versagen Spaß zu haben, der kommt hier aus dem Spaß-haben gar nicht mehr raus.


Es gibt also keinen Grund, nicht nach Erto zum Klettern zu fahren. Aber wenn man denn schon mal da ist, sollte man wenigsten rudimentär informiert sein, was hier eigentlich mal passiert ist: Die Geschichte ist schnell erzählt und läuft unter dem Namen Vajont: Das Tal bekam eine Staumauer und das Flüsschen wurde zu einem beachtlichen Stausee angestaut. Am 09. Oktober 1963 ist nun ein Großteil der gegenüber liegenden Bergflanke in den See gerutscht. Rumms hat's g'macht. Weil nun die Masse an Berg in den (sehr, sehr tiefen) See hinein ist musste das Wasser auf der anderen Seite hinauf. Das gab eine 150 Meter (!!) hohe Flutwelle. Die ist zuerst gegenüber den Berg hinauf, hat das Örtchen Casso dem Erdboden gleich gemacht und dann über die Staumauer ins Tal hinunter. Unten im Tal der Fluß Piave mit dem Städtchen Longarone. Alle schlafen schon. Drei Minuten, nachdem der Berg oben abgerutscht war, ist von Longarone nichts mehr übrig. 2.000 Menschenleben ausgelöscht. Die Madonna aus der Kirche von Longarone wurde später über 100 km weiter südlich in der Piavemündung am Meer gefunden. Auch das ist Erto.
Ich war mal mit meiner ehemaligen Jungmannschaft zum Trainieren in Erto. Bevor die Jungs da geklettert sind, wussten sie, was dort passiert war. Mir ist das wichtig, und es gehört auch zur Ausbildung junger Menschen dazu. Selbst wenn's "nur" um's Klettern geht.

Facts Erto:

Anfahrt über Brenner, Pustertal, Cortina, Tai di Cadore ins Piavetal nach Süden und bei Longarone links hinauf nach Erto.
Alternativ kann man (z.B. von Arco aus) über Trento das Val Sugana fahren.

Versorgung: Es gibt eine kleine Bar, die am Wochende und im Sommer auch unter der Woche geöffnet hat. Bier ohne Ende, Essen auch, und zwar gut. Ansonsten gibt es alles, was das Herz begehrt unten in Longarone: Supermarkt, Pizzarien, Kletterladen, Bank.
Führer: Stefan Wagenhals Lobo Edition Dolomiten Süd hat ein Auswahl. Versante Sud "Sul Confine" ital/engl gibt's. z.B. beim  hier Klettern-Shop







Dienstag, 6. März 2018

Eisklettern am Jochberg

Der Joe, der Jack und ich
Eisklettern am Jochberg ist für die Münchner Eiskletterer ja so eine Art Muss. Das führt nicht selten dazu, dass dann die eine (meist Rechtes Gully) oder sogar auch andere (irgendwas von dem anderen Zeugs halt) Route in so "Mal kurz vor der Arbeit"-, "in der Mittagbspause"-, "mal schnell noch nach der Arbeit"- oder "Nachtsprint"-Aktionen 'naufgepickelt wird. Praktisch fast immer alleine, auf jeden Fall aber ohne Gurt und Schrauben.
So, denkt sich jetzt nicht nur eine(r), die spinnen ja alle miteinander! Genau, recht er sie/er. Völliger Blödsinn, diese Aktionen. Und gefährlich obendrein! Ich seh' schon den mahnenden Zeigefinger der immer-alles-besser-wissenden Sicherheitsfraktion der diversen Netzwerke.


Also erst einmal wieder alles auf Null runter fahren und von vorne anfangen. Anfangen tut es meistens schon damit, dass eigentlich keiner weiß wo welche Route an diesem verflixten Jochberg zu finden ist. Und wenn man mal eine gefunden hat, wie heißt die dann? Jaja, er hat schon so seine Tücken, der Joe. Die hat er laut Angabe der Eisklettererfinder erst seit dem diese laschen Handschlaufen-Whimps die Rinnen bevölkern. Früher war das alles viel besser und ganz klar, was welche Route ist. Echt? Also seit ich den Joe-Berg (Dschoubäag) kenne hat noch nie einer genau gewusst welche Rinne wie heißt und wo die dann genau ist. Deshalb ist auch jeder immer was anderes geklettert und die Schwierigkeitsangaben gingen auseinander wie die politischen Grundeinstellungen der aktuellen Parteienlandschaft in unserem Lande. Einig waren sich erst alle, als plötzlich welche kamen, die sich zwar auch nicht auskannten, aber die Dummheit besaßen diese Unkenntnis durch öffentlich gestellte Fragen den Kracks als angreifbare Schwachstelle anzubieten (wie oft muss man diesen Satz lesen, bis man ihn verstanden hat?). Langer Rede kurzer Sinn: Alle sind doof, nur die einen glauben es verheimlichen zu können weil's ihnen peinlich ist und den anderen ist das halt einfach wurscht. Handschlaufen-Whimps oder Fuck-the-Leashes-Freaks, alle gleich.


Also, um die Sache einfacher zu machen: Vom Parkplatz aus kann man die meist besuchten Linien erkennen, wenn man weiß wo man hin schauen muss.

Das rechte Gully (blau) ist am schlechtesten zu erkennen, obwohl es die begehrteste Route ist. Das liegt daran, dass das Gully aus dieser Sicht größtenteils verdeckt ist. Die Verwirrung wurde leider nicht besser, als ein Übersichtsbild verbreitet wurde, in dem zwar das Gully erkennbar ist, das jedoch von einem völlig anderen Standpunkt aus aufgenommen wurde.
Etwas weiter Links ist bei gutem Eisaufbau ist die Linie  "Softeis" (rot) gut zu erkennen.
Wenn man genau hinschaut (Fernglas ist nicht schlecht), kann man auch den Eisaufbau im "Amphitheater" (gelb) sowie die "Säule" (gelb) sehen. Beides sind Bestandteile der "Via Classica" (schwarz).
"Rechte Rinne" oder "Übungsrinne": Diese ist noch rechts vom rechten Gully und nicht so empfehlenswert, der Eisaufbau meist nicht so gut wir im rechten Gully. Ist ebenfalls vom Parkplatz aus kaum zu erkennen. Wenn's gescheit steht findet man aber die Spuren dorthin ohne Probleme.
Ein weiteres hilfreiches Topo gibt's beim Franz
Zustieg: Vom Parkplatz den fast immer vorhandenen Spuren in das Bachbett folgen. Nach ca. 15  Min. kommt man rechts an den Einstig des rechten Gully. Einige Meter vorher zweigen manchmal Spuren zu einer flachen und relativ breiten Rinne ab, dies ist die Übungsrinne.
Im Bachbett weiter hinauf kommt man an einem recht auffälligem schönen Eisaufbau vorbei: Das ist die Route "Softeis". Diese endet aber im Nirvana bzw. es kann über Mixedgelände weiter oben die "Via Classica" erreicht werden.
Nochmals ca.  50 Meter weiter zieht rechts eine etwas unscheinbare Eisrinne hoch. Das ist der Beginn der "Via Classica".
Klar soweit?

Rechtes Gully:
Das rechte Gully besteht aus vielen kleinen Aufschwüngen mit mehr oder weniger langen Gehstrecken dazwischen. Im unteren Teil gibt ein paar Bohrhakenstände. Die Aufschwünge sind auf der leichtesten Linie mit max. WI 3 überwindbar und nicht höher als 12-15 Meter.



Man kommt also im Grad WI 2 mit einigen kurzen Stellen WI 3 gut das rechte Gully hinauf. Natürlich kann man die Stufen auch etwas direkter überwinden, dann kann man immer wieder im Grad WI 3 klettern.


Ganz oben kommt dann eine längere Stapfstrecke an deren Ende eine kurze Verschneidung mit meist trockenem und oft auch dünnem Eis wartet. Wem das zu heikel ist, der kann hier nach links ausweichen und sich die letzten Meter mit ein paar Latschen vergnügen. Die original Linie verfolgt die Rinne gerade hinauf und quert am Schluss von links nach rechts über ein kurzes M-Stück UIAA II zum Ausstieg.


Das ist schon fast turfig.
Via Classica:


Die Via Classica sieht zu Beginn recht unscheinbar aus. Eine Rinne mit kurzen Aufschwüngen bis max. WI 3 auf wenige kurze Meter leitet kurzweilig in das sogenannte Amphitheater.



Im Amphitheater wird es dann zum ersten Mal spannend: Je nach Eisaufbau stehen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Alle Stufen haben zwischen 20 und 25 Meter. Ganz links kann man sich mit WI 3 hinaufpickeln, Mitte und rechts erfordern zwischen WI 4 und WI 5. Mal etwas leichter, mal auch schwerer. Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, das ganze Amphitheater rechst über Latschen zu umgehen. Das wird auch oft genug gemacht.



Gleich nach dem Amphitheater kommt nach einer kurzen Gehstrecke die Säule. Wenn sie so fett wie März 2018 da steht ist's einfach ein Traum sie zu klettern. Je nach Linie kommt man am billigsten mit WI 4 hinauf. Danach nochmal richtig viele fette Genussmeter.




Es folgt eine Stapfstrecke bis zum nächsten "Doppelstufe". Auch diese bietet wieder Genuss im kompakten Eis, einfachste Variante WI 3



Nun müht man sich leider ein etwas längeres Stück durch den Schnee die Rinne hinauf. Aber die Mühe zahlt sich aus, wartet doch nochmals eine kompakte Stufe. Wieder Minimum WI 3.
 



Am Ende der Stufe ist nochmals Konditions-Stapfen angesagt, um zu einer letzten, sehr kurzen Stufe zu kommen. Links oder rechts ist hier egal, es kommt oben wieder zusammen.



Nochmals wird für die 8000er trainiert, bis die Rinne zu Ende ist und man am Gatter des Normalweges in der Sonne steht.

Grundsätzlich kommt man in der Via Classica mit viel WI 3 und etwas WI 4 hinauf. Viel schöner wird es, wenn man etwas mehr Luft hat und nicht immer die aller leichteste Linie klettern muss. Dann erhöhen sich die Anforderungen auf viel WI 4 mit Passagen WI 3. Wer sich konsequent das Schwere raussucht, findet viel WI 4+ mit etlichen Metern, die auch (teilweise, z.B. im Amphitheater) mal deutlich schwerer ausfallen können. Rundum eine klasse Sache. Allerdings schon ganz deutlich ernster als das rechte Gully.







Solo und so...


Jaja, die Freaks. Am Joe gibt's die praktisch im Family-Pack. Grundsätzlich eignet sich das Gelände ja auch dazu: Das rechte Gully ist echt ein gutes Training für so was, und man kann meist auch gar nicht soooo weit runter fallen. Aber ein paar Dinge könnte man sich mal durch den Kopf gehen lassen:

Der Joe stirbt von oben: Soll heißen, unten oft noch fett und dick und oben nix mehr. Der Fön ist schuld dass das so ist.

Scheiße ist's meistens da wo's leicht aussieht: Die Stufen stehen meistens gut und sind unproblematisch für den Solisten. Blöd ist's oft da, wo es vom Steilen ins Flache geht, weil da ist dann nix mehr. Und das ist dann schon mal nicht sehr lustig.

Was ok ist und was einfach nur blöd: Cool sein ist ok. Cool sein ist grenzenlos blöd. Wo der Unterschied ist? Keine Ahnung...

Hilfreiche Gedankengänge: Der beste Weg für's Solo-Gehen ist bei Weitem oft nicht der leichteste!
Vorher ist's immer ein Eiertanz mit nagenden, Zahnweh-ähnlich-bohrenden Zweifeln, hinterher ist's immer total cool gewesen. Was stimmt nun?
Was meistens nie stimmt, ist der ganze Schwachsinn, der in irgend welchen sozialen Netzwerken (ein Widerspruch in sich: Wenn ich mir das dort Geschriebene so durchlese, was ist daran noch sozial???) gepostet wird. Ein paar eigene Gedanken machen, statt des Konsumierens fremden und häufig zweifelhaften Gedankengutes unbekannter Herkunft kann hier eine Entscheidung erleichtern. Magengrimmen und Zweifel werden immer bleiben.


Der Joe

Er ist mein Lieblingsberg, der Jochberg! Ich hab keine Ahnung, wie oft ich schon oben war. Immer als erstes wenn ich verletzt war. Bei Regen, Schnee, Sonne, Sturm, gut drauf, schlecht drauf. Aber eins ist sicher: Nur ganz oben ist wirklich oben! Im Traum würde es mir nicht einfallen, nach einer Kletterei ohne Gipfelbesuch einfach wieder runter zu gehen. Obwohl, letztens hätte ich's fast gemacht. Dann aber zu Glück doch nicht. Und dann bin ich wieder oben: Mal ganz allein, mal mit Freunden, mit Fremden und manchmal ganz allein zu dritt: Der Joe, der Jack und ich.


Auch lesenswert: Lebenszeichen